In Europa herrscht wieder Krieg

Den vorstehenden Satz hören wir in den letzten Wochen seit dem Beginn der russischen Großoffensive gegen die Ukraine am 24.02. oft – das Aufflammen des seit 2014 schwelenden Krieges und die damit verbundenen Nachrichten, Bilder und Fluchtbewegungen schockieren uns.

Seit 2021 hat die Russländische Föderation über Monate rund 75% ihrer aktiven Truppen – insgesamt rund 190.000 Soldaten - an die Grenze zur Ukraine verlegt, von der NATO praktisch eine Rücknahme der in der NATO-Russland-Grundakte auch von Moskau akzeptierten Osterweiterung verlangt und mit offener Aggression gegenüber der Ukraine gedroht.

All das war – wie vor allem Stimmen aus den USA, sowie aus Mittel- und Osteuropa gewarnt haben – lediglich das Vorspiel für einen verbrecherischen Krieg, in dem die russischen Truppen gezielt ukrainische Städte wie Mykolajiw, Charkiw, Mariupol und die Hauptstadt Kyjiw selbst belagern und Kriegsverbrechen an der Tagesordnung sind.

In diesen Städten ist die humanitäre Lage katastrophal, in der einzigen bislang von russischen Truppen eingenommen größeren Stadt Cherson und den anderen von russischen Truppen besetzten Gebieten herrschen Repression und Gewalt gegen die Zivilbevölkerung und Lokalpolitiker.

Infolgedessen sind bereits unzählige Ukrainer innerhalb des Landes in den westlichen Teil geflohen – und insgesamt mehr als drei Millionen ins europäische Ausland, davon die meisten nach nach Polen, Rumänien und in die Republik Moldau – aber auch viele zu uns nach Deutschland.

Währenddessen halten sich die ukrainischen Streitkräfte recht erfolgreich gegen die russischen Truppen, die Moral der Ukrainer ist ungebrochen, die Mobilisierung ein Erfolg und die massiven westlichen Waffenlieferungen  - so wurden zum Beispiel aus den USA in sechs Tagen mehr als 17.000 Panzerabwehrwaffen geliefert – sorgen dafür, dass die russische Offensive seit Tagen stockt und ein militärischer Patt realistisch gesehen möglich ist.‌‌ Dazu kommt mutiger ziviler Widerstand der Bevölkerung in den besetzten Gebieten.

Gewinnt Putin diesen Krieg – ob durch militärische Eroberung oder durch eine diplomatisch forcierte Kapitulation der Ukraine, wird es nicht sein letzter Krieg sein – und das Ende nicht nur des ukrainischen Nationalstaates, sondern auch das Ende der Zukunft einer europäischen Friedensordnung gemäß der KSZE-Schlussakte.

Historisch gesehen haben wir Deutsche ein starkes Interesse daran, diese zu erhalten – und‌‌damit auch ein Interesse daran, der Ukraine bestmöglich zu helfen.

Dazu müssen wir uns ehrlich machen  – die Einsichten, dass westliche Waffenlieferungen derzeit die effektivste Hilfe sind und der Import russischer Rohstoffe ist als Einnahmequelle für Putins Krieg auf Dauer keine Option mehr sein darf, gehören dazu, so schmerzhaft uns dies auch erscheint.

Stehen wir der Ukraine nicht bei, wird Krieg in Europa ein weitaus häufigerer Gast werden.

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Über den Autor:

Raúl Wolfgang Bruning, gelernter Kaufmann für Spedition und Logistikdienstleistung, befasst sich seit dem Euromaidan 2013/2014 mit der Außen- und Sicherheitspolitik speziell in Bezug auf Mittel- und Osteuropa.‌‌